Liebe HauptstadtTV-Gemeinde, aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Philippi kommt der heutige Lehrtext: „Ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, so dass ihr prüfen könnt, was das Beste sei.“ Immer wieder wird überlegt, wo Erkenntnis entsteht! Und wie das Verhältnis von Herz und Hirn zu gewichten sei. Ich denke, dass Paulus ins Schwarze getroffen hat, wenn er nicht den Ort für Erkenntnis thematisiert, sondern die Haltung, in der bzw. aus der Erkenntnis wächst. Die Liebe ist die Haltung, in der wahre, wirkliche Erkenntnis am Besten wächst. Denn die Liebe gibt mir die größtmögliche Offenheit – für den Anderen, das Andere. Ich kann ihn so sehen, wie er ist, weil ich ihn in Liebe annehme und ihn nicht nach meinem Bilde, nach meinen Gedanken forme. Liebe weitet die Augen, die Ohren, alle Sinne! Und mit allen Sinnen mache ich mir ein Bild von meinem Gegenüber. Ich will meinen Nächsten, den ich liebe, ja eben auch nicht nutzen, erst recht nicht ausnutzen, sondern sehe ihn als Geschenk Gottes für die Welt. Das ist auch die Haltung, in der wirkliche Liebe wachsen kann. Denn ich frage mich nicht: Wo komm ich her, wo geh ich hin? Sondern nehme mich selbst an als Geschenk Gottes an mich, an die Welt. Und habe Freude an seiner Liebe zu mir. Diese Liebe Gottes zu mir, lässt mich mir selber liebenswert werden. Und so von Gott geliebt, kann ich Gott auch lieben. Weil ich spüre, glaube, denke, dass dieser unbegreiflich große Gott mich angenommen hat und liebt. Und diese Haltung der Liebe hat Jesus ganz erfüllt. Hat ihn ganz ausgefüllt. So wie kein anderer Mensch vor ihm und nach ihm hat Jesus diese Liebe Gottes gespürt, erwidert und daraus gepredigt. Und allein darin ist er Gottes Sohn, ist er der menschlichste Mensch von allen Menschen. Und vor allem hat er so die scheinbar unermessliche Menge an Vorschriften und an Gesetzen, die Mose dem Volk im Namen Gottes vorgegeben, über die 10 Gebote hinaus, kondensiert und konzentriert im Grunde auf ein einfaches Gesetz, das dreifaltig ist: Du sollst Gott lieben und Deinen Nächsten wie dich selbst. Liebe in drei Richtungen – das öffnet den ganzen Raum der Liebe. Anders als es die Kirche in bald 2 000 jähriger Irrlehre getan hat, wenn sie von einem Doppelgebot der Liebe spricht und damit die Liebe auf dem Strich gehen lässt zwischen Gott und dem Nächsten. Aber ich bin ja eben auch gemeint und erst diese drei Dimensionen der Liebe öffnen den ganzen Raum der Liebe, in dem ich leben darf. Der große Jude Martin Buber hat nach dem Desaster des 1. Weltkrieges wie Karl Barth die Theologie, die ja auch so dramatisch versagt hatte, dass sie in den Schützengräben des 1. Weltkrieges gleich mit erschossen wurde, neu begründet. Er hat ein das Denken völlig denkendes Buch geschrieben: „Ich und Du“. In dem Buch zeigt Buber, dass wir ICH überhaupt nur denken können, weil wir von einem DU angesprochen wurden. Weil Gott uns anspricht, weil unsere Eltern uns ansprechen, entwickelt sich ein Ich in uns. Und Eugen Rosenstock-Huessy, der zum christlichen Glauben konvertierte Jude, der mit Buber sehr eng befreundet war, hat in seiner „Sprache des Menschengeschlechts“ gezeigt, dass die menschliche, die natürliche Reihenfolge der Grammatik eben mit Du beginnt und dann das Ich aus dieser Begegnung entsteht. Und dass der Mensch erst dann, erst danach, überhaupt erst anderes, das Er, Sie und Es wahrnehmen kann. So hatte auch schon ein anderer Jude Gott gebeten, ihm ein gehorsames Herz zu geben. „Der HERR sprach zu Salomo: Bitte, was ich dir geben soll! Salomo sprach: Du wollest deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, dass er dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist.“ Und dieser König gilt bis heute mit den von ihm geschriebenen oder ihm zugeschriebenen Büchern als der weise König Salomo. Wir sind gut beraten, ihm und Paulus in dieser Haltung, dieser Erkenntnis zu folgen. Bleiben sie gesundBehütet.